Wege aus der Enteignungsfalle - Was bringt die Erbschaftsteuerreform?

Ein Gespräch mit dem Münchner Anwalt Martin Zeil
Nachricht07.04.2016Michael Lindner
Taxes

Wie hoch soll und darf der Staat eine Erbschaft besteuern? Hierzu ist die Debatte in Deutschland im vollen Gange. Auf Geheiß des Bundesverfassungsgerichts muss die Bundesregierung bis Mitte des Jahres das Erbschaftsteuerrecht nachbessern. Die Neufassung der rechtlichen Rahmenbedingungen bietet die Chance, Familienunternehmen eine sichere Zukunft zu geben. Der aktuelle Gesetzesentwurf nimmt diese aber nicht wahr. Darüber haben wir mit Martin Zeil gesprochen.

Lieber Herr Zeil, die Große Koalition beschäftigt sich seit über einem Jahr mir der Erbschaftsteuerreform und hat immer noch keine Einigung erzielt. Wie bewerten sie die bisherigen Reformvorschläge?

Meines Erachtens wird die Große Koalition in dieser Frage einfach ihrer Verantwortung nicht gerecht. Vor allem unsere familiengeführten Unternehmen brauchen Rechtssicherheit und kein neues Bürokratiemonster. Genau das ist aber durch den aktuellen Gesetzesvorschlag zu befürchten. Nach diesem Gesetzentwurf droht eine deutliche Mehrbelastung in Höhe von über 30 Prozent bei der Übertragung von Unternehmen. Viele Unternehmenserben können aber nicht so einfach über vorhandenes oder geerbtes Geldvermögen verfügen, um die Erbschaftsteuer zu zahlen, da das Kapital in der Regel im Unternehmen selbst gebunden ist. Darüber hinaus wird sich so auch die steuerliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im Vergleich zu anderen europäischen Industriestaaten weiter deutlich verschlechtern.

Was würde das für kleine und mittlere familiengeführte Unternehmen in Deutschland bedeuten?

Das Vermögen von Unternehmerfamilien ist – wie gesagt - vielfach illiquide und langfristig, zum Großteil im Unternehmen selbst, gebunden. Ein Erbe des Familienunternehmens verfügt in aller Regel auch nicht über die finanziellen Mittel, die Erbschaftsteuer aus seinem neben dem Unternehmen vorhandenen Privatvermögen zu bezahlen, hier soll vom Gesetzgeber eine Vermögensabgabe durch die Hintertür eingeführt werden. Die Erbschaftsteuer muss dann über Entnahmen aus dem Unternehmen oder über einen Verkauf von unternehmerischen Anteilen finanziert werden. Das alles hat negative Auswirkungen auf das betriebliche Eigenkapital, auf die Investitionskraft und damit auch auf die Arbeitsplätze. Letzten Endes wird das zu einer fundamentalen Veränderung der für unseren Wohlstand in Deutschland entscheidenden Familienunternehmenskulturführen.

Warum sind Familienunternehmen besonders stark von der Erbschaftsteuer betroffen?

Es gibt ganz spezifische Charakteristika bezüglich kleinen und mittleren familiengeführten Unternehmen, die bei den aktuellen Reformvorschlägen der Erbschaftsteuer zum Tragen kommen und große Nachteile für diese bedeuten. Dazu zählen die (volle) private Haftung und die häufig vorliegende Vermischung von Privat- und Firmenvermögen. Dadurch ergibt sich das Problem, dass eine Einbeziehung des Privatvermögens zu einer doppelten Belastung dieses Vermögens der Erben führt. Wenn man nun die Erbschaftsteuer nicht abschaffen oder regionalisieren will, wäre es besser, einfache und praxisnahe Kriterien zur Bindung des Kapitals und der Liquidität im Unternehmen zu setzen. Diese müssen dann als Voraussetzung der Verschonung festgelegt werden und die Steuer sollte sich am künftigen Gewinn orientieren. So kann der Erhalt des Unternehmens und der Arbeitsplätze besser sichergestellt werden. Grundsätzlich muss auch klar sein, dass ein darüber hinausgehender Zugriff auf das private Vermögen nicht systemgerecht ist und strikt unterbleiben muss.

Also bleibt zu befürchten, dass die aktuell geplante Erbschaftsteuerreform langfristige die Existenz von Familienunternehmen in Deutschland gefährdet. Welchen Stellenwert haben kleine und mittlere familiengeführte Unternehmen für die deutsche Wirtschaft überhaupt?

Familienunternehmen sind ganz eindeutig das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Um dies zu verdeutlichen müssen wir uns nur die Kennzahlen anschauen: je nach Berechnung sind zwischen 88 und 91 Prozent aller deutschen Unternehmen familienkontrollierte oder eigentümergeführte Unternehmen. Sie erzielen knapp die Hälfte der Umsätze und stellen deutlich mehr als 50 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland.

Die Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer wird also rund 90 Prozent aller Unternehmen betreffen. Also bis auf ein paar ganz große Player faktisch alle.

Er skizziert hierzu das Modell eines „Marktplatzes“, auf dem alle Meinungen und Argumente in einem freien Wettstreit miteinander ausgetauscht werden können und zunächst gleiche Akzeptanz erhalten, ob sie nun religiös oder humanistisch-säkular sind.

Seinen ganzen Vortrag können Sie als Audio-Mitschnitt nachfolgend hören. In diesem bietet er zuerst einen geschichtlichen Abriss, wie die religiöse Deutungshoheit in der öffentlichen Diskussion zu Gunsten der säkularen Gesellschaft an Bedeutung verloren hat. Nachfolgend zeigt er auf, wie Religionen nach wie vor einen Beitrag in einer säkularen Gesellschaft zur öffentlichen Debattenkultur leisten können.

Martin Zeil

Am besten wäre es, die Erbschaftsteuer abzuschaffen, weil eine verfassungsfeste Abgrenzung von Privat- und Betriebsvermögen immer schwierig sein wird.

Martin Zeil

Wie stellen Sie sich eine faire Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer vor, die der Bedeutung von Familienunternehmen für den Standort Deutschland gerecht wird?

Am besten wäre es, die Erbschaftsteuer abzuschaffen, weil eine verfassungsfeste Abgrenzung von Privat- und Betriebsvermögen immer schwierig sein wird. Viele unserer europäischen Nachbarn haben mit einer Abschaffung positive Erfahrungen gemacht.

Falls dies nicht möglich ist, muss eine Regelung folgende Gesichtspunkte berücksichtigen:

  1. Eine Regelung für die Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen muss sicherstellen, dass die Unternehmensvielfalt in Deutschland nicht gefährdet wird, und insbesondere auf die besonderen Finanzierungs- und Unternehmenskultur von deutschen Familienunternehmen Rücksicht nehmen. Wichtig ist, endlich Rechtssicherheit für die Unternehmen zu schaffen.
  2. Die Sicherung der Familienunternehmen und deren Arbeitsplätze darf nicht durch eine Erhöhung der Erbschaft- und Schenkungsteuerbelastung gefährdet werden.
  3. Das vorhandene Privatvermögen muss von der Erbschaft- und Schenkungsteuerbelastung des Betriebsvermögens getrennt werden.
  4. Es muss eine gewinnorientierte Besteuerung und eine möglichst einfache Bewertung des zu besteuernden Betriebsvermögens angestrebt werden, um langwierige Verfahren und eine Zerschlagung von Unternehmen zum Zwecke der Erfüllung von Steuerverbindlichkeiten zu vermeiden.
  5. Am besten wären einheitliche und niedrige Steuersätze, wie dies in vielen anderen Ländern der Fall ist.

Zur Person: Martin Zeil wurde 1956 in München geboren. Nach dem Abitur 1975 in Starnberg studierte er Rechtswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Von 2005 bis 2008 war Martin Zeil Mitglied des Deutschen Bundestages, von 2008 bis 2013 Mitglied des Bayerischen Landtages und Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie sowie stellvertretender Ministerpräsident. Heute arbeitet er als Partner einer Münchener Anwaltskanzlei.