Urbane Mobilität: Was muss sich ändern?

Verkehrs-Experten diskutieren über die Stauproblematik in deutschen Ballungszentren, Bedürfnisse der Fahrgäste und die digitale Verkehrswende.
Nachricht27.09.2018Markas Adeikis
Zukunft urbaner Mobilität

Bernhard Gässl, Geschäftsführer der Landesgruppe Hessen im Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV); Dr. Michael Mattar, FDP-Fraktionsvorsitzender im Münchner Stadtrat und Mitglied in den Ausschüssen für Stadtplanung und Bauordnung und Umwelt; Dr. Carl Friedrich Eckhardt, Leiter des Kompetenzzentrums Urbane Mobilität der BMW-Group und Nico Schoenecker, Geschäftsführer der Autobus Oberbayern GmbH, waren auf dem Podium.

In seinem Impulsvortrag hat Bernhard Gässl den Bogen zwischen Herausforderungen und Chancen der digitalisierten Verkehrswende geschlagen. Er mahnte nachdrücklich zur Zielsetzung, im Verkehrsbereich die Treibhausgas- und Lärm-Emissionen entscheidend zu reduzieren: „Dabei sollte der ÖPNV eine wichtigere Rolle spielen, denn er ist deutlich sauberer und ressourcenschonender als der Individualverkehr.“ Gässl fordert die Image-Bildung der gesamten Branche stärker zu fördern und sich dafür die Digitalisierung zunutze zu machen. Darüber hinaus plädierte er für zahlreiche Maßnahmen, um die Verlässlichkeit des öffentlichen Verkehrs zu steigern: vor allem die höhere Taktung auch außerhalb der Stoßzeiten, zusätzliche Nachtlinien und die Ergänzung durch „individuelle öffentliche Mobilität“ wie Carsharing.

In der Marktentwicklung des Carsharings sieht Dr. Carl Friedrich Eckhardt eine positive Dynamik: Der Frauenanteil unter den Kunden nimmt stetig zu, auch ältere Konsumenten über 40 Jahre tendieren immer öfter zur gemeinschaftlichen Nutzung von Automobilen. Hart ins Gericht ist Eckhardt mit den Wettbewerbsverzerrungen in der Verkehrs-Branche gegangen: „Durch die übermäßige Subventionierung des öffentlichen Verkehrs werden die Bedürfnisse der Bürger vernachlässigt.“

Für Nico Schoenecker den Geschäftsführer der Autobus Oberbayern GmbH ist der Individualverkehr, auch Carsharing, noch nicht genug optimiert, um die sogenannte „letzte Meile“ von einer ÖPNV-Haltestelle zum tatsächlichen Fahrtziel zu überwinden. Mit dem Einsatz zusätzlicher Buslinien ließe sich dieses Problem laut Schoenecker eindämmen: „Gerade der Ausbau der neuen Strecken und die höhere Taktung sollte für uns die höchste Priorität sein und nicht die ziellose Digitalisierung.“

Dass die Taktung auch bei den U-Bahnen verdichtet werden sollte, dem pflichtete Michael Mattar, bei. Der Politiker der oberbayerischen Metropole sieht in den Ballungszentren gleich mehrere Probleme: Engpässe bei der Finanzierung und besonders lange Entscheidungsprozesse in der Verwaltung und Politik, die die Verkehrsreformen bei der Münchner S-Bahn ausbremsen.

Zu einem Punkt waren sich die Podiumsdiskutanten ausdrücklich einig: Die Knappheit des Raumes in Ballungszentren muss adäquat bepreist werden. „Neben der Diversifizierung des Verkehrs-Angebots sollten dynamische Preise eine immer wichtigere Rolle bei der Problemlösung spielen“, so Dr. Carl Friedrich Eckhardt. Beispiele wie Stockholm oder Singapur zeigen laut ihm nur, dass die höhere Bepreisung der Parkplätze die Stauproblematik verbessern kann.