Sport ist höchst politisch

50 Jahre nach dem Attentat bei den Olympischen Spielen in München 1972
Nachricht20.09.2022Thomas Nagel
Webinar der Friedrich-Naumann-Stiftung/Thomas-Dehler-Stiftung
50 Jahre nach dem Attentat von 1972Thomas-Dehler-Stiftung/Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Die heiteren Spiele, die vor 50 Jahren in München eröffnet wurden, wurden überschattet von der Geiselnahme und Ermordung von elf jüdischen Sportlern.

Am 5. September 1972 hatte die palästinensische Terrororganisation Schwarzer September einen Anschlag auf die israelische Mannschaft bei den Olympischen Spielen verübt. Es begann als Geiselnahme und endete in den frühen Morgenstunden des 6. September mit der Ermordung aller elf israelischen Geiseln und eines Polizisten sowie mit dem Tod von fünf der acht Geiselnehmer.

Karen Vogler, Präsidiumsmitglied von Makkabi Deutschland, schilderte, dass bis heute jüdische Sportlerinnen und Sportler nur unter Schutz an Sportereignissen teilnehmen können.

Die 70er Jahre seien, nach Ansicht  des Autors Markus Brauckmann politisch eine aufgeheizte Zeit gewesen. Für Deutschland seien die Olympischen Spiele 1972 die größtmögliche Weltbühne gewesen, um die Bundesrepublik Deutschland modern und geläutert zu präsentieren. „1 Milliarde Menschen sahen im Fernsehen zu, wofür die Bundesrepublik steht. München 1972 sollte der Gegenentwurf zum düsteren Berlin von 1933 werden.“ Dazu habe die Transparenz, die Heiterkeit und die Architektur gepasst. Und es habe sich tatsächlich etwas gegenüber 1933 geändert, die Deutschen jubelten den Israelis zu.

Für Bruckmann ist der bekannteste und wohl auch umstrittenste Satz der Sportgeschichte: „The games must go on.“ von Avery Brundage, dem damalige Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), auch heute noch unvorstellbar.

Die Olympischen Spiele 1972 waren, laut Brauckmann, ein politisches Projekt. Allerdings habe man die Sicherheitslage völlig unterschätzt. „Man hat mit Taschendieben gerechnet, aber nicht mit einem Terrorakt“, sagte Brauckmann. In einer Zerreißprobe der sozialliberalen Koalition sei es um Wettkampf und um Wahlkampf gegangen. „Und das Unglaubliche: Willy Brandt und der Polizeichef Manfred Schreiber blieben im Amt“, sagte Brauckmann mit Blick auf die ausgebliebene Konsequenz.   

Bijan Djir-Sarai MdB, Generalsekretär der FDP war der Auffassung, dass man aus heutiger Sicht die Gefahren 1972 unterschätzt habe. Er kritisierte, dass es nie einen Untersuchungsausschuss gegeben habe. Sicherheitspolitisch habe sich einiges geändert. Auch die Gründung der GSG 9 unter Hans-Dietrich Genscher, damals Außenminister der Bundesrepublik, sei eine Konsequenz des Attentats. „Wir sehen heute die Sicherheit ganz anders“, resümierte Djir-Sarai.

Das Attentat von München sei 23 Jahre nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland für Israel die größt mögliche Enttäuschung in den israelisch-deutschen Beziehungen gewesen, zog Brauckmann das Fazit. Mit dem Besuch von Willy Brandt, dem damaligen Kanzler, in Israel im Juni 1973 sei mit der Aufarbeitung der Vergangenheit begonnen worden.

Bijan Djir-Sarai unterstrich, dass Deutschland ein glaubwürdiger Verbündeter Israel sei. Auf die Frage: Was wünschen Sie sich für den Sport? Sagte Karen Vogler abschließend: „Das Judentum sollte zur Normalität in der Gesellschaft werden. Wenn wir das auch im Sport vorleben, dann ist der Sport das verbindende Element.“

 

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