Eine Zeitenwende der deutschen Sicherheitsstrategie?

Tag 2 der Nürnberger Sicherheitstagung
Nachricht19.05.2022Thomas Nagel
Nürnberger Sicherheitstagung
Thomas-Dehler-Stiftung/Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

„Es bedarf einer Bewertung für den Einsatz in Afghanistan, der 20 Jahre dauerte.“

Das forderte General a.D. Egon Ramms, ehem. Oberbefehlshaber des Allied Joint Force Command, Brunssum in seinem Impulsvortrag über die Lehren aus der Ukraine und den Auslandseinsätzen der deutschen Bundeswehr. Zwischen den Einsätzen in Afghanistan und der Ukraine gebe es keine Parallelen. Während es sich in Afghanistan um einen Stabilisierungseinsatz gehandelt habe, gehe es im Ukraine Krieg um die Bündnisverteidigung. Dass in den letzten Monaten 12 russische Generäle getötet worden seien, führte General Ramms auf die mangelnde Kommunikation in Russland zurück. Russische Generäle stünden an der Kriegs-Front und müssten ihre Position über Funk durchgeben. „Bessere Zieldaten gibt es für die Ukraine und die Bündnispartner nicht“, sagte Rams. In der Historie belegte er, dass man seit dem Georgienkrieg und der Annexion der Krim Zeit gehabt habe, sich auf die Situation einzustellen, die am 24. Februar 2022 eintrat. Seit 2008 sei klar, dass sich Vladimir Putin nicht an internationale Verträge halte. Russland habe in den drei Monaten des Krieges kein Ziel bisher erreicht. Charkiw sei nicht mehr eingeschlossen und die Ukrainische Armee versuche Gebiete zurückzuerobern. Als Konsequenz aus dem Ukraine-Krieg forderte eine Aufstockung des Bundeshaushalts über das Jahr 2027 hinaus. 

„Wir brauchen  eine Wertschätzung der Veteranen.“

Im Umgang mit der Zeitenwende beklagte Oberstleutnant i.G. Marcel Bohnert, der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Bundeswehr Verbandes, dass man bereits wieder in alte Denkmuster zurückfalle. Die Forderung am 01. Mai Frieden schaffen ohne Waffen, klinge zynisch für die Soldatinnen und Soldaten, die sich als politischer Spielball fühlten. „Unsere Soldatinnen und Soldaten sind nicht dauerhaft für die Kontaktnachverfolgung in der Corona-Pandemie zuständig.“ Es gehe um Krisenmanagement und Landesverteidigung. Die Ausrüstung und Ausstattung, wie Schutzwesten und Nachtsichtgeräte, seien Voraussetzung, um im Einsatz bestehen zu können. Jeder Soldat müsse sich die Frage stellen: Wofür diene ich? Und die Gesellschaft müsse sich die Frage stellen: Wie gehe ich mit Rückkehrern, mit Veteranen, aus Krisengebieten um, die traumatisiert sind. Das Thema Afghanistan gäre in der Bundeswehr. Der Einsatz sei nicht aufgearbeitet. „Unsere Forderung des Verbandes lautet: Die Förderung der Anerkennung und Wertschätzung der Veteranen und die Steigerung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr materiell und personell.“

Japan, Neuseeland, Australien und Südkorea werden unsere neuen Partner

Dr. Gerlinde Groitl erklärte in ihrem Vortrag, warum die liberale Weltordnung nach ihrer Ansicht von Russland und China bedroht wird, und mit welchen Illusionen die westliche Politik durchzogen war. In den 90er Jahren sei man davon ausgegangen, dass Demokratie und Marktwirtschaft keine natürlichen Feinde mehr hätten. Es sei eine Illusion gewesen, dass sich Russland und China durch ein Korsett westlicher Macht zwängen lassen. Russland sei keine Innovationsmacht und in China habe sich die Autokratie gefestigt. Das Ziel Putins sei es, sich selbst zu erhalten. Als strategische Partner des Westens sah die Politikwissenschaftlerin Japan Neuseeland, Australien und Südkorea an.

Die ärmste Region braucht Entwicklung

Für Christoph Matschie ist es ein zentrales Anliegen, dass sich Deutschland mit Frankreich über die Afrika-Politik abstimmt. „Die ärmste Region braucht Entwicklung“ gab es als Ziel aus. Deutschland sei als Partner herzlich willkommen. Es gehe aber nicht darum Länder wie Mali zu europäisieren, sondern ihr Land mit Bildung und Reformschritten sicherer zu machen, sagte der ehemalige stellvertretende Ministerpräsident von Thüringen und heutige Gastwissenschaftler am Zentrum für Internationale Friedenseinsätze. Wichtig wäre es deshalb, von der jetzigen Führung eine Roadmap notwendiger Reformschritte einzufordern, die die Lebenssituation im Land verbessern und faire Bedingungen für zukünftige Wahlen schaffen. „Am Ende kann eine demokratische Entwicklung nur gelingen, wenn sie in allen Landesteilen und in der Bevölkerung, sowohl unter den verschiedenen ethnischen Gruppen als auch bei den Eliten, Unterstützung findet“, sagte Matschie als Fazit.

Moderiert wurde die Tagung von Ulrich Lechte MdB, dem außenpolitischen Sprecher der FDP-Fraktion und von Prof. Dr. Oberst d. R. Eberhard Grein.

Nürnberger Sicherheitstagung

Japan, Neuseeland, Australien und Südkorea werden unsere neuen Partner

Dr. Gerlinde Groitl, habilitierte Politikwissenschaftlerin an der Universität Regensburg
Nürnberger Sicherheitstagung

Die ärmste Region braucht Entwicklung

Christoph Matschie, Gastwissenschaftler am Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF)