Die Nürnberger Sicherheitstagung 2019

Vernetzte Sicherheit am Beispiel Mali
Nachricht01.07.2019Maik Schnierer & Ferdinand Knapp

Tag 2 im Presseclub Nürnberg

Um die geopolitische Lage von Mali zu verstehen, beginnt der zweite Tag der Sicherheitskonferenz mit dem Vortrag der Diplom-Biologin wie Geologin PD Dr. habil. Hannelore Kußerow. Sie gibt den Teilnehmern einen Einblick in die geographischen Gegebenheiten des westafrikanischen Staates. Über die Hälfte des Landes liegt geographisch gesehen in der Sahelzone. In dieser versorgen sich die Menschen selbst mit Lebensmitteln, sind also durch die Subsistenzwirtschaft auf ackerbautaugliche Böden sowie Wasser angewiesen. Wiederkehrende Dürren, große Armut und eine der höchsten Geburtenraten der Welt machen es nahezu unmöglich, alle Menschen mit genug Nahrung zu versorgen. Das wenige Weideland und Holz werden gerodet, da Holz neben Wasser einer der wichtigsten Ressourcen für Hausbau und Kochen ist. 

Durch die Perspektivlosigkeit kommt es zu Radikalisierungserscheinungen, die Anschläge im Namen Al-Qaidas sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Die weltweite finanzielle Entwicklungshilfe versickert in vielen afrikanischen Staaten in großen Teilen aufgrund großer Korruption. Dazu kommen Drogen-, Menschen-, und Waffenhandel, welche dem Kontinent nicht nur finanziell schaden. Mali gehört laut UNICEF zu den Ländern mit dem größten Anteil von Kindern im Schulalter, welche die Schule nicht besuchen können. Die Energiekrise ist ein weiterer Aspekt, warum es in vielen Staaten Afrikas keine funktionierende Wirtschaft gibt, welche Arbeit und damit für viele einen Weg aus der Armut schaffen könnte. Paradoxerweise hätte Afrika mit Sonne, Wind, Wasser und Öl mehrere Möglichkeiten zur Energiegewinnung, aber das technische Know-How fehlt an den meisten Orten.

Malis Bevölkerung wird in den nächsten 10 Jahren einen Zuwachs von etwa 70 % erfahren, für das Jahr 2100 werden gar über 100 Millionen Einwohner prognostiziert. Diese Bevölkerungsexplosion gilt nicht nur für Mali, sondern auch in den anderen Subsahara-Staaten wie Niger oder Tschad. Aufgrund der oben genannten katastrophalen Zustände prognostiziert Kußerow für 2030 neue Flüchtlingsströme aus der Sahelzone in Richtung Nordafrika, mit dem Ziel Europa. Um diese Missstände also zu beheben, bräuchte es eine funktionierende Entwicklungshilfe sowie mehr Bildung für viele perspektivlose malische Kinder und Jugendliche.

Robin Schroeder war im Rahmen der MINUSMA-Mission als Civil Advisor (CIVAD) des 3.-6. Bundeswehr-Einsatzkontigents in Gao tätig. Er beriet die deutsche Bundeswehr am Einsatzstandort Gao in Fragen zur zivilen und politischen Lage sowie die deutsche Botschaft in Bamako in Fragen zu Stabilisierungsprozessen in Nord-Mali.  Dabei diente er als Mittelmann für den Informationsaustausch zwischen den Sicherheitskräften in Mali sowie den politischen Vertretern in Deutschland. Zu seinen Aufgaben gehören jedoch nicht nur sicherheitspolitische Probleme, sondern auch infrastrukturelle wie die Wasserversorgung, Krankenhäuser, kaputte Fähren sowie Wahlbeobachtung.  Sein Fazit fällt nüchtern aus: Mali sei noch weit von einem selbsttragenden Frieden entfernt, aber MINUSMA könnte Licht am Ende des Tunnels sein: Zwar sei die Mission noch weit vom Perfektionismus entfernt, trägt aber doch entscheidend zum malischen Friedensprozess bei und wird auch von der malischen Bevölkerung sehr geschätzt. Er empfiehlt Deutschland, langfristig und regional zu planen und die Bundeswehr keinesfalls überhastet abzuziehen.  Ebenso muss dringend die Infrastruktur verbessert werden.  

Marcel Ducamp wurde nach spezieller Ausbildung in Frankreich für die UN-Mission MINUSMA ausgewählt und war bis 2018 Individual Police Officer (IPO) in Gao. Dort half er der regionalen Polizei, ihre Kräfte besser auszubilden sowie die Öffentlichkeitsarbeit der lokalen Polizei voranzubringen. Sein Erfahrungsbericht: Ein gewaltiger Bürokratieapparat von Seiten der UN, Patrouille in gepanzerten Fahrzeugen, regelmäßig stattfindende Anschläge, Sprachbarrieren von Seiten der malischen Bevölkerung wie der malischen Polizei sowie „furchtbare“ klimatische Verhältnisse erschweren den Einsatz vor Ort. Dabei war es ihm wichtig, mit der Zivilbevölkerung in den Austausch zu kommen sowie mit der malischen Polizei auf Streife zu gehen, die diese ohne den Support der UN-Hilfskräfte gar nicht tun würden. Er zeigt eindrucksvolle Bilder von seiner Zeit in Mali, die erahnen lassen, unter welchen schweren Bedingungen die Polizeiarbeit in Mali nur durchgeführt werden kann.