Brexit und die Medien: Politikexperten und Medienvertreter diskutieren über die Folgen des Austritts für die Medien

Nachricht29.08.2018Markas Adeikis
Brexit und die Medien
Brexit und die MedienFriedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Zu diesem Thema organisierte die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit eine Podiumsdiskussion. Die Veranstaltung beleuchtete den EU-Austritt Großbritanniens aus Sicht der Medien. Zur Diskussion wurden Experten eingeladen, die sich jahrelang mit diesem Thema befasst haben: Thomas Hacker, FDP-Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Bundestagsausschuss für die EU-Angelegenheiten; David Wheeldon, Group Director of Policy and Public Affairs bei Sky, dem europäischen Konzern mit Sitz in London; Dr. Andrea Claudia Hoffmann, Journalistin und Außenpolitikexpertin beim Nachrichtenmagazin Focus. Moderiert wurde die Veranstaltung von Walter Brinkmann, Wirtschaftsingenieur und selbstständigem European Affairs Consultant in München.

Die zentrale Frage des Abends war es, inwieweit die Folgen des Brexits die Medienhäuser betreffen könnten. David Wheeldon bekräftigte, dass der Brexit für die Medienhäuser aus der geschäftlichen Perspektive keine Existenzbedrohung verursacht: „Die meisten Medienhäuser sind regional verankert und können sich auf ihre lokale Kundschaft verlassen, was auch der Austritt Großbritanniens aus der EU kaum ändern sollte.“ Vielmehr betonte der Vertreter des europäischen Großkonzerns die kulturellen und sozialen Herausforderungen für die Medien. Laut ihm sind die meisten Medien mit der schweren Aufgabe konfrontiert, eine differenzierte Meinung zum Brexit einzunehmen. „Die neutrale Berichterstattung muss sich darauf einstellen, die gespaltene Welt nach dem Brexit möglichst objektiv darzustellen. Angesichts der Tatsache, dass weder lokal noch global denkende Gesellschaftsschichten aufeinander zugehen wollen, ist dieses Vorhaben um so schwieriger umzusetzen.

Dr. Andrea Claudia Hoffmann schloss sich den Bemerkungen von Wheeldon an und bestätigte, dass der Brexit auch in ihrem Medienhaus kein erstrangiges Problem darstelle. Darüber hinaus betonte sie aber den größten Unterschied zwischen den deutschen und britischen Medien. Laut Hoffmann sind deutsche Medien mehrheitlich gegen den Brexit: „Die Berichterstattung arbeitet sich meistens an der Frage ab, was man gegen den Brexit unternehmen könnte. Insgesamt könnte man zusammenfassen, dass die Anti-Brexit-Stimmung immer noch den Mainstream in deutschen Medien bildet.“

Die Außenpolitikexpertin hob auch zwei Brexit-Szenarien hervor, die von Medien gerne bevorzugt werden: „Entweder wird ein No-Deal-Brexit mit allen schlimmsten Folgen daraus prognostiziert, oder ein Szenario wird skizziert, dass das Austrittsverfahren komplett gestoppt wird.“ Solche extremen Vorstellungen tragen laut Hoffmann kaum zu einer ausgeglichenen Berichterstattung bei, aber man könnte das sogar verstehen, denn gerade die „Horrorgeschichten faszinierten die Leserschaft am meisten“, so die Journalistin.

Als ein weiterer Themenschwerpunkt wurde ein mögliches No-Deal-Szenario behandelt. Bundesabgeordneter Thomas Hacker wies darauf hin, dass dabei solche wichtigen EU-Werte wie die Bewegungsfreiheit und der europäische Zusammenhalt auf dem Spiel stehen: „Die Zeit läuft uns davon, und ein EU-Austritt ohne Abkommen wäre die Schlimmste aller Optionen.“ Auf der anderen Seite darf die Europäische Union laut dem FDP-Politiker nicht zulassen, dass Großbritannien nach dem Brexit-Prozess sämtliche Privilegien behält, als wäre nichts passiert. Für Hacker wäre ein präzise ausformuliertes Regelwerk der erste Schritt zur erfolgreichen Kooperation zwischen der EU und Großbritannien nach dem Brexit.

David Wheeldon äußerte dazu seine Befürchtung, dass ein No-Deal-Szenario in den letzten Monaten immer wahrscheinlicher wird. Das liegt laut dem Experten auch daran, dass britische Regierungschefin Theresa May mit ihrem Kompromissplan in ihrer euroskeptischen parlamentarischen Fraktion nicht auf die ganzheitliche Unterstützung zählen kann. Dennoch sind verschiedene No-Deal-Szenarien vorstellbar, mit unterschiedlichen Abmachungen und Konsequenzen, deswegen sollte man dabei vor allem auf technische Details des Verfahrens achten.

Auf der anderen Seite hält Wheeldon es für einen Fehler, einen Ausstieg aus dem Brexit-Prozess in Erwägung zu ziehen: „Die britischen Wähler wussten bei dem Brexit-Referendum ganz genau, wofür sie stimmten, und dieser Volkswille ist von Institutionen Großbritanniens zu respektieren und umzusetzen.“

Thomas Hacker setzte zum Schluss vor allem auf die Bereitschaft zur Kooperation zwischen beiden Partnern: „Ob mit dem Abkommen oder ohne – die EU sollte nicht versuchen, Großbritannien für den Brexit zu bestrafen. Vielmehr sollten beide Seiten eine pragmatische Assoziation außerhalb der EU-Mitgliedschaft anstreben. Schließlich ist und bleibt Großbritannien für die EU ein wichtiger Handelspartner.“ Den Brexit sieht der Bundestagsabgeordnete als eine Chance, ein Exempel zu statuieren, wie man den EU-Austritt zivilisiert regelt. Dieses Exempel könnte anderen EU-Staaten, auch Deutschland, dabei helfen, gegen die euroskeptische Propaganda von Rechtspopulisten erfolgreich zu kämpfen. David Wheeldon seinerseits warnte die EU vor den Versuchen, Europa stärker zu zentralisieren, denn so würden sich die Brexiteers und andere Euroskeptiker bei ihren Ansichten um so stärker bestätigt fühlen.

Die Diskussion endete mit der geäußerten Hoffnung, dass ein „Abkommen im letzten Moment“ immer noch als eine greifbare Option gilt. Ob das ein endgültiger Vertrag oder eine Übergangsregelung für die Zukunft wird, bleibt aber unklar.